Lyrisches Intermezzo
Schumann/Heine – Ironie#Musik
Ursprünglich nannten wir das Programm nach dem Kernzyklus: „Lyrisches Intermezzo“*, nun – 2018 – erlebt der Abend eine veränderte Wiederaufnahme – auch der Titel sucht noch nach Ausdruck.
Im Mittelpunkt stehen die Lieder der Dichterliebe, vorgetragen in der ursprünglichen Fassung und der Heinischen Reihenfolge, erweitert um einige Gedichte Heines aus dem Zyklus „lyrisches Intermezzo“, aus dem auch die Texte der „Dichterliebe“ stammen. Darüber hinaus folgen wir den biographischen und ideellen Berührungspunkten der beiden, den Begegnungen.
Liebe, Dichtung, Musik, – und wie war das nun mit der Ironie – gibt es Ironie auch in der Musik?
Länge: ca. 90 min
Premiere 1 (mit Elena Bregman): 23.10.2006, Prerow; dann u.a. in Born, Poppendorf, Kunstkaten Ahrenshoop …
Premiere 2 (mit Jens Hoffmann): 28.10.2018 Alte Weberei Ahrenshoop
aus dem Programmheft:
* Das lyrische Intermezzo Heines umfasst 70 Gedichte, von denen Schumann 21 vertont hat. Bis auf die „Lotosblume“ sollten sie ursprünglich auch alle 20 in der bei Heine vorgegebenen Reihenfolge erscheinen. Die Textzitate im Programm stammen aus:
Robert Schumann: Tagebücher, Schriften über die Musik; Heinrich Heine: kritische Gesamtausgabe; u.a.; Wertvolle Hinweise verdanken wir: Thomas Synofzik, „Heinrich Heine, Robert Schumann – Musik und Ironie“; lesenswert ebenfalls Ludwig Marcuses Buch über Heinrich Heine und Fritz Raddatz „Taubenherz und Geierschnabel“
Text- und Musikauswahl: Michael Goßmann, Claudia Franck, Elena Bregman, Jens Hoffmann; lingua cantat 2007/2018
„Jeder Tonkünstler ist ein Dichter, nur ein höherer.“ (R.S.)
„Es fehlt uns Deutschen, die wir doch Frag- und Ausrufezeichen haben, noch ganz an allgemein angenommenen Ironiezeichen in der Druckerei, an einem, gleichsam nach Art der Musik-Schlüssel vorgesetzten Ironieschlüssel…“ (Jean Paul)
„Die weniger gebildeten Menschen sind im Ganzen geneigt, aus der Musik ohne Text nur Schmerz oder Freude, oder (was mitten inne liegt) Wehmut herauszuhören, die feinen Leidenschaften aber, als in jenem den Zorn, die Reue, in dieser das Gemächliche, das Wohlbehagen etc zu finden nicht im Stande, daher ihnen auch das Verständnis von Meistern, wie Beethoven, Franz Schubert, die jeden Lebensumstand in Tonsprache übersetzen konnten so schwer wird. So glaub ich in einzelnen moments musicals von Schubert sogar Schneiderrechnungen zu erkennen, die er nicht zu bezahlen im Stande, so ein spießbürgerlicher Verdruss schwebt darüber. In einem seiner Märsche meinte Eusebius ganz deutlich den ganzen österreichischen Landsturm mit Sackpfeifen vorn und Schinken und Würsten am Bajonette zu erkennen…“ (R.S.)
„…gerade hier [letzter Teil der beiden Grenadiere] (…) wird das Groteske des Gedichtes auf die Spitze getrieben und das Bild der Schildwach im Grabe ist in sich ebenso paradox wie der Einsatz der Marseillaise als Requiem. Solche Melodiezitate sind musikalische Ironie im engsten Sinne. Ironie, verstanden hier nicht als uneigentliches Sprechen, sondern als eigentliches Singen: Das Erklingende ist nicht nur die Schumann’sche Vertonung eines Heine’schen Textes, ebenso wenig natürlich ein Choral oder die Marseillaise. Vielmehr gehen beide Bedeutungsschichten in einem spannungsreichen ambivalenten Beziehungsgeflecht auf….“ ( Synofzik)
„Heines Gestus der Unerfüllbarkeit von Liebe und der Nichteinlösbarkeit von Glück ist keine Reportage aus dem Leben, ist existenzielle Feier der Vereinzelung; er münzt die Bitterkeit genereller Erfahrung um in Süße des Klangs, er schmilzt aus der Abweisung Adel und Schönheit des Hochmuts (…) Nicht Petrarcas verheiratete Laura und nicht Heines sich verheiratende Amalie sind das „Eigentliche“; vielmehr die Kluft zwischen Wunsch und Erfüllung. Heine beerbt Petrarca, indem er dessen Subjekt-Leid in Objekt-Hass umprägt. Daraus macht er die eigne Währung. […]
Der Romantiker Heinrich Heine ist Mathematiker. Er will die Quadratur des Kreises: Er will Heimat sagen dürfen, ohne national zu sein; er will die ballsüchtig protzig frisierte Mathilde einen „Gegenstand“ nennen dürfen und sie dennoch lieben; er will sie alle höhnen, die Brentano und Tieck und Schlegel und Görres und Arnim und Eichendorff, auch Uhland (und Börne sowieso) – und sie dennoch beerben, er gehört nicht zu ihnen, sie gehören ihm. Er ist das Kaleidoskop, das die tausend farbigen Scherben selber je nach Belieben und Bedarf zum gewünschten Bilde fügt; und ritzt ihn einer der Splitter, dann macht er aus den Blutstropfen die Tinte für seine schönsten Verse.“ (Raddatz)